29.4.20

1000km mit der 2020er KTM Superduke 1290R. Ein erster Test


"The beast"! So wurde sie 2014 von KTM marketingmässig gehypt. Die Teaser gingen viral, was musste das nur für ein furchtbar ungezähmtes wildes Eisen sein, diese 1290R. Die Zeit war reif für einen neuen Keulenschwinger im Naked-bike-Segment.
Ich bin alle 3 Evolutionsstufen mitgegangen. Es gibt also etwas zu berichten. Zumal KTM das Werk wegen der Corona-Krise Mitte März schon geschlossen hat und kaum jemand sonst viel zu erzählen hat über dieses famose Eisen. Ich habe die Stufe 3 bereits in der ersten Januarwoche bestellt und - siehe da- bereits in der 3.Februarwoche ruft mein Händler KTM Köstler mich an "ist da!". Die Zulassung erfolgte am 28.02.2020 und heute ist die 1000er Inspektion ins Serviceheft eingebucht worden. Also Feuer frei für ein Jahr, bis das Display wieder meckert.


Vorab noch einige Informationen zum Setup. Ich habe das komplette Software-Paket mit Blipper, RacePack etc mitbestellt. Das habe ich früher nicht gemacht, doch da war immer das Gefühl da, das da noch mehr geht. Die Heizgriffe sind natürlich auch obligatorisch, ohne geht es garnicht mehr. Sonst hätte ich die Übernahme-Fahrt von Leverkusen bis in die Eifel bei 3Grad nicht überlebt. Geschweige denn schon 1000km zusammen. Mittlerweile hat KTM auch die Qualität und die Kabelführung wie auch die vorbildliche Menüstruktur bei den Heizgriffen verbessert, da kann ich nichts mehr kritisieren. Die Heizfunktion in den 3 Stufen ist praxisgerecht, ich fahre selbst bei 3grad mit Sportlederhandschuhen.

Fujifilm H1 mit Macro 2.8/80mm Blende 5,6 1/250s

Von dem georderten Zubehörstrauss ist noch wenig lieferbar und Corona haut jetzt auch noch eine Schneise in die Lieferkette. Geduld ist angesagt. Bisher ist ansonsten lediglich die Akrapovic montiert. Die Power-Parts Gilles Tooling Rastenanlage ist zum 2.06.2020 terminiert, wie auch der R&G Heckumbau. Das sehr gut integrierte kleine PowerParts-Windshield gefällt mir richtig gut, wie auch die PowerParts SP-iPhone 11-Halterung. Ein neues absolut positiv hervorzuhebendes Detail ist die Ladebuchse sehr dezent links am Display-Körper. Da ist es kein Fremdkörper in Bezug auf Designsprache und ermöglicht ein ultrakurzes Kabel. Sonderlob an KTM. Solche Details sind mir persönlich wichtig. Bei der Vorläufern (sprich Eva 1 und 2) störte mich immer sehr dieses Gefrickel mit den aftermarket USB-Ladebuchsen. Ein kleiner Tip am Rande: ich nutze sein 3 Jahren die Navigation vom Potsdamer Startup CALIMOTO auf dem iPhone. Es gibt nach meiner Meinung nichts Besseres und Evolutionäreres. Kostet zwar 39,99 im Jahr, aber das iPhone ist eh immer dabei. Wer sich da noch einen TomTom oder sonst ein Auslaufmodell kauft ist selber Schuld.


Der Serienhenkel hinten stört noch die Linie. Abhilfe ist in Aussicht

Vorab noch ein paar subjektive Fakten zum Modell 2015 und 2017, welche ich beide ca 5000km gefahren bin. Die erste 1290R hat einfach eine neue Welt aufgezeigt, was für ein Reaktor! Unglaublicher Schub in allen Drehzahlbereichen, sowas gab es vorher nicht. Die Drehmomentkeule hat gefühlt den Asphalt aufgerissen. Wer da nach einer Probefahrt nicht fasziniert war, dem war nicht mehr zu helfen. Doch, da gab es jemanden. Einer meiner Freunde, ein bekennender Konsumverweigerer und Fireblade-Fahrer-mit-max15PS-Abrufneigung (wir nennen ihn mal Jürgen; der komplette richtige Name ist mir bekannt) kam nach einer Probefahrt zurück mit dem einzigen Fazit: "ich kann damit nicht im 5.Gang durch den Kreisverkehr fahren, die schüttelt dann immer so". Dieses Qualitätsurteil war mir bisher völlig unbekannt für ein Motorrad. Es gibt halt Spezies, die fahren mit Ihrem 4-Zylinder am liebsten im Kreisverkehr. Was für ein Scheiss.
....Bitte wieder zur Sache kommen. Die SDR konnte sonst einfach alles, touren, bummeln aber auch ganz furchtbar austeilen. Die Niederlage für alle mitfahrenden Fremdfabrikatfahrer war ganz schnell besiegelt. Das muß furchtbar für Sie gewesen sein.
Ein paar Verarbeitungsdefizite wie die wackelige Lampenmaske, das leidige Display, die schleifenden Bremsscheiben vorne sowie die Sitzbankkanten (störte auf den Alpentouren) waren da, aber die Faszination dieses fantastischen Motors überstrahlte alles.
Die Evolution ist nicht aufzuhalten. Das Nachfolgemodell 2017 hat vor allem den Motorlauf unter 3500upM spürbar verbessert, ebenso wurden viele Details verbessert. Die Sitzposition wurde durch den tieferen Lenker ein wenig dynamischer. Und die Assistenzsysteme wurde auf eine ganz neue Stufe gehoben. Endlich gab es auch einen Quickshifter, noch nicht perfekt im Vergleich zum diesbezüglichen gamechanger BMW S1000RR, aber brauchbar. Ich war mit dem Fahrwerk immer sehr zufrieden, mir gefiel immer dieses Spielerische und sehr kontrollierte Einlenken ohne Eigenlenkverhalten. Das machte zügiges Fahren so furchtbar einfach. Trotzdem meckerten immer mehr Leute und die Presse am diesem vermeintlichen Schwachpunkt herum. Ok, Ausgangs der Kurve war es auch für mich spürbar. Im Angriffsmodus fehlte ein wenig die Verbindlichkeit der Rückmeldung.
Das konnte KTM auch im Zusammenhang mit der aufziehenden Gefahr Ducati V4 Streetfighter und Kawasaki H2 nicht länger mit ansehen,

Die 3te EVO-Stufe ist da und sie liefert!

Der Antrieb ist und bleibt der König für die uns erreichbare freie Welt. Er ist neu und ein wenig leichter durchkonstruiert, die Anbau-Aggregate sind nun organischer bzw stilsicherer im Fahrzeuglayout integriert. Er läuft mechanisch nochmals runder und die Assistentzsysteme haben einen weiteren Entwicklungssprung gemacht. Emotion und Gewalt in einer  fantastischen Symbiose, fast vollkommen ohne Vibrationen. Selbst die neue Auspuffanlage mit den ofenrohrdicken Krümmern und der fetten Euro5-Kasten unter dem Motor stört mich nicht im Geringsten. Im Gegenteil, der Sound ist nicht mehr auf der Groll-Seite sondern sehr auf der richtigen Seite. Mit der neuen organisch geformten Akra sogar perfekt vom Ton und vor allem nicht zu laut. Die laute Proll-Auspuffzeit habe ich schon lange hinter mir, das will ich nicht mehr. Auf keine Fall. Diese Klappen-Auspuffsysteme sind eh der neue Opel Manta, dieser Proll findet sich auch in immer mehr Autos. Wer's brauch.
Das neue Display und die neu durchdachte Bedienung mit den hervorragenden neuen Armaturen kann ich nur als Top bezeichnen.
Die Sitzposition fande ich zuerst fast zu sportlich, jedoch nach jetzt 1000km muss ich sagen, genauso muss es sein!
Das Design ist mE total stimmig, Kiska polarisiert nach wie vor. Das ist auch gut so. Die Stufe 3 ist nmM mit Abstand am schönsten und zeitlos. Insgesamt erscheint mir das Design des Vorgängermodells jetzt plötzlich als altbacken. So schnell geht das. Einen einzigen Nachteil habe ich jedoch ausgemacht: warum 2 l Tankvolumen dem Styling und dem Marktgeschrei Gewichtseinsparung geopfert?
Insgesamt ist der Qualitätseindruck mittlerweile bei KTM sehr überzeugend. Und immer wieder die Details: sie lässt sich sich total einfach waschen und putzen wie kein zweites Bigbike. Da merkt man die Erfahrung von KTM im Dreck-Segment.
196kg sind bei 180PS eine Erwähnung wert, wenn auch Ducati die Messlatte mittlerweile noch höher legt. Aber die Bandbreite der SDR ist unbeatible, die Streetfighter V4 ist mir zu speziell.
Jetzt kommen wir zum besten Neuen. Das neue Fahrwerk! Der Rahmen wurde komplett neu konstruiert nur mit einem Ziel: benchmark setzen. Die WP-Federelement kommen endlich nicht mehr aus dem Standardbaukasten sondern sind jetzt echte Premiumteile oben aus dem WhitePower-Regal. Das ist endlich standesgemäß und angemessen. Das begeistert mich mehr und mehr. Der 200er Reifen hinten fühlt sich in diesem Arbeitsumfeld fast wie ein 160er an, unglaublich. Das Fahrwerk hat jetzt hinten Grip ohne Ende, da pumpt nichts mehr wenn die Drehmomentgewalt von 144MN an der Kette reisst. Ein ganz neues Gefühl. Es ist im Werkssetup zwar fast zu straff aber funktioniert nach einiger Gewöhnung super. Die Rückmeldung von vorne ist jetzt auch nahe am Referenzstatus. Die neuen Bridgestone S22 passen perfekt zum Bike.
Die Zielgenauigkeit und das Einlenk- wie auch Auslenkverhalten überzeugen auf ganzer Linie. Vor allem ist das spielerische aber verbindlich präzise Handling weiter verfeinert worden. Das ist Emotion. Und deswegen fahren wir doch Motorrad.

Man spürt förmlich, das jetzt beim Angriff auf die Bergwertung eine neue Welt im beherrschbaren Grenzbereich aufgehen könnte. Dieses Fahrwerk wird den Sieg liefern können. Der epische Motor sowieso. Wenn Corona unter Kontrolle ist, werde ich das erleben. Was für tolle Aussichten...

Power Parts Windshield

SP-Halterung

Ein Relikt aus meinen Bike-Fundus konnte ich endlich verwenden

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Schöner Bericht. Nach dem Lesen müssten jetzt viele Naked Bike Fans feuchte Augen und Finger bekommen und ihren Kontostand überprüfen. Es ist schon eine tolle Leistung, mit zwei 650 cm³ Pötten im 75° Winkel mit der Laufruhe diesen sagenhaften Schub zu erzielen.
Über Optik lässt sich immer trefflich streiten, jedoch über das Kraftwerk in der Mitte wohl eher nicht.

Gruß
Pile